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Edi's Forum für historische Rundfunktechnik

Restauration zweier Schwergewichte: Elektroapparatewerk Treptow, Berlin (EAW) "Amati 1194 WK", 1952
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22.10.22 13:33
edi 

Administrator

Restauration zweier Schwergewichte: Elektroapparatewerk Treptow, Berlin (EAW) "Amati 1194 WK", 1952

Jetzt beginne ich mit der Restauration zweier Radios der Schwergewichtsklasse, -eins dieser Radios wiegt 28 Kg !!!- die mir im Laufe der Jahrzehnte zufielen.
Elektroapparatewerk Treptow, Berlin (EAW) "Amati 1194 WK", Baujahre dieser Type ist1952- 1955.





Erster "AmatI", seit 2011 bei mir. Seriennummer 14839.
Helles Gehäuse, goldener Ring um die Abstimmanzeigeröhre, besonders schön: über der Skale ein innen vergoldetes Glasröhrchen.





Zweiter "AmatI", seit 2014 bei mir. Seriennummer 16651.
Dunkles Gehäuse, kein Glasröhrchen, sondern eine Messing- Schiene, die ist sehr dunkel- oxydiert.
Um die Abstimmanzeige ein Ring mit einem Relief.
Das Gerät sieht älter aus, hat aber eine spätere Seriennummer, müßte demnach jünger sein.
Leider ist die Skale nicht mehr schäön, die Siebdruck- Beschichtung blättert ab.

Zuletzt bearbeitet am 22.10.22 18:18

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22.10.22 15:29
edi 

Administrator

Re: Restauration zweier Schwergewichte: Elektroapparatewerk Treptow, Berlin (EAW) "Amati 1194 WK", 1952

Dieses Radio war zu DDR-Zeiten etwas sehr exquisites. Es wurde nicht verkauft, es wurde zugeteilt.

Amati nur zugeteilt... das weiß ich nun nicht... da hatte ich noch Windeln... :D
Gegen Saarfranzoses seltene Schätzchen sicher schon eine größere Stückzahl.

Selten war Amati m. E. nicht; Im Laufe der Jahrzehnte habe ich viele Amatis auf dem Tisch gehabt- leider für mich selbst keins übrig behalten.

Auf jeden Fall immer interessant, die DDR- Großsuper- auch wegen der historischen Umstände- die Lieferzeiten -vielleicht- hoch, damals vielleicht vieles "Bückware" (unter dem Ladentisch gehandelt) oder zu der Zeit noch auf Zuteilung, (ich weiß es nicht genau).
Die Stückzahlen sicher auch nicht so sehr hoch- allerdings waren auf der "anderen Seite Deutschlands" Großsuper auch exquisit ausgeführt, besser verarbeitet und wesentlich teurer als Klein- und Mittelsuper- eben keine Massenware.

Man muß sich auch vergegenwärtigen, wie die Wirtschaftslage war- als diese Geräte entstanden, war der Zweite Weltkrieg ja gerade 10 Jahre vorbei ! Als Kind konnte ich die ausgebombte Wohnung meiner Mutter noch 10 Jahre später sehen (Ja, die Wohnung ! Giebel weggebombt...).

Die Siegermacht, die diese Seite Deutschlands beaufsichtigte, war ja selbst kaputtgebombt worden...wird oft vergessen.
Ich denke, für diese Zeit und diese Bedingungen (soviel ich aus Erzählungen meiner Eltern weiß- da lebte ich ja noch nicht) ist die Produktion eines aufwendigen (a. R.) Spitzensupers doch schon eine beachtliche Leistung.

Wenige Jahre später sah es schon anders aus: 6 und 10 Jahre nach Amati leisteten sich meine Eltern –normale Arbeiter/ Angestellte- je einen großen Mittel- und einen Großsuper, (REMA 1200 und Capri) letzteren habe ich restauriert und hier beschrieben.

Für Rundfunkgeräte waren immerhin die Rohstoffe ausreichend, ohne Nowendigkeit von Importen, verfügbar, die Hauptarbeit war manuelle Tätigkeit.

Wenn man solche Geräte heute betrachtet- kann man kaum einen Gegensatz zu Großsupern anderer Hersteller dieser Zeit feststellen- keinesfalls billig gebaut, sorgfältig entwickelt, technisch der damals höchste Stand, DDR- typisch sehr servicefreundlich- und wie man auch am Amati sieht, wurde Wert auf Klangvolumen und liebevolle, exzellent ausgeführte Möbel- Optik gelegt- siehe den Glasstab mit Gold- Inlay- die Ausführung kannte ich auch nicht- endgeil.

Ein echtes Tonmöbel in Luxusausführung- sowas gibt es heute nicht mehr.

Zuletzt bearbeitet am 22.10.22 16:52

22.10.22 15:34
edi 

Administrator

Re: Restauration zweier Schwergewichte: Elektroapparatewerk Treptow, Berlin (EAW) "Amati 1194 WK", 1952

Ein bißchen selbsterlebte Geschiche des Herstellerwerks kann ich beisteuern, das Werk kenne ich persönlich, wir wohnten in der Nähe, waren oft dort, und haben den Niedergang erlebt. Wen`s nicht interessiert- bitte hier wegklicken... :-)

Ja, das Werk wurde seit den 50ern bis Anfang 70er nach Stalin benannt- zu dieser Zeit war dieser aber nicht als brutaler Diktator, sondern als Präsident der Sowjetunion bekannt (ja, ich weiß- da wurden üblicherweise lange Aufzählungen der Positionen, Titel und Verdienste heruntergebrabbelt), unter dessen Führung die Sowjetarmee den Krieg (mit) beendete- und das war Stalin ja auch tatsächlich.
Für den Normalbürger war damals natürlich nicht mehr bekannt. Was in der Sowjetunion wirklich ablief, wußten nur sehr wenige... und so benannten eifrige Parteigenossen in Staats- und Betriebsführungen gern Werke, Straßen, Schulen, usw. nach Persönlichkeiten der Sowjetunion und historischen Persönlichkeiten, die als Vorkämpfer des Kommunismus galten.
Also keine absichtliche Huldigung eines Diktators und/ oder Mörders. (außerdem steht der sowieso nur auf der Rückwand...)

Ehrenvolle Nennungen von Verbrechern und Mördern waren und sind sowieso weltweit üblich.

Radios zu politisieren- ist mir als Technik- Fan sowieso zuwider. Elektronen fliegen durch’s Röhren- Vakuum, egal, ob`s ein Kommunist oder der Klassenfeind reingefüllt hat. :-)
Der monierte Werksname auf der Rückwand ist genauso Geschichte, wie das Hoheitszeichen auf Volksempfängern.
Die Radios- sind nur Zeitzeugen... Technik, Aussehen und den schönen Klang, den wir lieben, hätten sie mit jedem Namen gehabt.

Ab den 70ern wurde das Werk dann EAW- Elektro- Apparate Werk" Berlin- Treptow (oder leicht sarkastisch: EAW- Einschalten, Ausschalten, Wegschmeißen, oder "Ewige Ausschuß- Werke"... :-) )
Fummelten Steuerungen, Relais, und sowas. In den 80ern nebenbei einige Heimelektronik- Geräte, z. B. Kassettenrecorder und Heimgeräte- Zubehör- als sog. "Konsumgüterproduktion". Um Versorgungslücken zu füllen, mußten Betriebe , die für die Industrie werkelten, dazu verdonnert, sich irgendwas einfallen lassen, nebenbei Produkte für die Bevölkerung herzustellen, also quasi zweitrangig... oft auch Ladenhüter- nur um diesen Auftrag auf dem Papier zu erfüllen. Und selbst gut verkaufbare Produkte wurden dann auch eher lieblos produziert- leider merkbar... vielleicht daher die Witznamen- aber sowas hatten auch andere Betriebe zu verknusen... :-)

Das war aber nebenbei- die Hauptproduktion war für die Industrie gedacht, und solche Betriebe hatten, weil eben Großbetriebe, jede Menge sozialer Aufgabengebiete.
EAW hatte einen echt guten Einkaufsladen, ich war oft dort: billig, sehr gute Lebensmittel, weil volkswirtschaftlich wichtiger "Schwerpunktbetrieb", in solchen betriebseigenen Läden war die Versorgung deutlich besser- und dieser war auf der Straße für jedermann zugänglich.
Der Laden hieß übrigens auch "EAW", die "Einkaufsquelle Aller Werktätigen", stand sogar über dem Schaufenster.

Weiterhin eine von EAW gebaute/ unterstützte, große, moderne Poliklinik mit allen möglichen Arztpraxen, die -DDR- üblich- nicht nur die eigenen Arbeiter, sondern auch die Gegend versorgten, auch darum war ich oft dort.

Ein Kilometer weiter, auch in Treptow, übrigens ein ehemaliges Graetz- Werk, an der ehemaligen Elsen/ Ecke Graetzstraße, ich kenne sie als Elsen/ Ecke Karl- Kunger- Straße, hieß zuletzt WSSB (Werk für Signalbau- und Sicherungstechnik). Heute u. a. ein Siemens-Ableger drin.

Nach der Wende wurden EAW und WSSB "abgewickelt", alles restlos verschrottet. Leider war da nicht mehr viel Interessantes abzugreifen, was da noch zu haben war, war eher uninteressant, altes Radioproduktions- und Meß- Equipment war schon Jahrzehnte vorher an andere Betriebe abgegeben bzw. verschrottet worden.

22.10.22 15:34
edi 

Administrator

Re: Restauration zweier Schwergewichte: Elektroapparatewerk Treptow, Berlin (EAW) "Amati 1194 WK", 1952

Eine fette Versicherung kaufte EAW, und ließ die Gebäude entkernen. Sämtliche Nebenbauten fielen der Abrißbirne zum Opfer. Dort entstanden Wohnhäuser, meist mit teuren Eigentumswohnungen, weil direkt an der Spree.
Das alte Hauptwerk, geschützt als Industrie- Denkmal, wurde dann zum Sitz der Versicherung- da raucht nirgends mehr ein Lötkolben...
Und an einem Ende wurde ein Turmbau hochgezogen. Weil alles in (Berlin-) Treptow steht, kam man auf den Namen "Treptower" -aber "denglisch" , also gesprochen: "Trehptauer". Was Ortsunkundige. meist aus den alten Bundesländern, aus den Orts- und Gebäudenamen machen- ist aber noch- schrecklicher: "Trepptoh", "Trepptoff", Treptohwer, u. a. schwer heilbare phonetische Verkrampfungen... :-)

Heute ist alles etagenweise unterschiedlich vermietet, aber alles Büro und Kleinstfirmen.

Immerhin ist das alte Gebäude äußerlich schön restauriert- dem Tower kann ich allerdings nichts abgewinnen. Wurde in der "Goldgräberstimmung" der Wendezeit gebaut, klar, gab Fördermittel ohne Ende, für Bürobauten én masse, so daß Ende der 90er Unmengen an leerer Bürofläche zur Verfügung standen... soviel Büro, daß man die halbe Republik hätte versorgen können.[/b]

EAW- Geschichte, Fotos


EAW, "Elektro- Apparate- Werke J W. Stalin", 1955, Quelle: Zeitschrift "rfe"


Hier ein altes Bild aus meinen Familienfotos von 1958
zu sehen ist links das EAW, sowie die Treptower Spreebrücke, die "Elsenbrücke"
Das Gebäude rechts ist übrigens das Lehrausbildungswerk des Röhrenherstellers "Werks für Fernsehelektronik", (Wir kennen's von 3 Stempeln auf den Röhren: "WF", davor "HF", davor "Oberspreewerk (OSW)"- alles dieselbe Bude... :-).
Lampen mit diesen Stempeln finden sich z. B. im "Rembrandt".
In disem Gebäude wurde auch ich als Rundfunk/ Fernsehmechaniker ausgebildet -aber nicht für WF... WF übernahm per Verträgen die Ausbildung für andere Betriebe.


EAW 1987, "Kombinat Elektro- Apparate- Werke Friedrich Ebert" (Quelle: Bundesarchiv)


Hier ein Bild vom heutigen EAW- Gebäude mit Tower, jetzt Gebäude der Versicherung "Allianz", , der Tower würde in den Fotos 1 und 2 rechts vom Hauptgebäude stehen.
Auch hier am rechten unteren Bildrand die Wohnhäuser Stralauer Allee/ Markgrafendamm/ Elsenstraße (Elsenbrücke, jetzt "an den Treptowers")
(Jetzt weiß ich, warum mir das Ding nicht gefällt--- der "Treptower" sieht aus wie ein verkleinerter Turm vom World Trade Center...)

Immerhin, das alte EAW war vom Gebäude her wie eine Festung.
Amati macht vom Bau her dem alle Ehre- und das darf er, ist ja auch ein Großsuper.
Und für ein 1955er Gerät -denke ich- repräsentiert Amati den Stand der Technik, und ist- ein beachtenswertes Stück solider Handwerksarbeit.

Edi

Zuletzt bearbeitet am 22.10.22 19:35

Datei-Anhänge
22.10.22 18:27
edi 

Administrator

Re: Restauration zweier Schwergewichte: Elektroapparatewerk Treptow, Berlin (EAW) "Amati 1194 WK", 1952

Hier geht's weiter mit dem Restaurationsbericht.

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